Erbe Geschichte

130 Jahre der Bahn nach Gottschee (Kočevska)

Eröffnung der Gottschee-Bahn

»»Hei, wie es gestern in Dolenjsko (Deutsch: Unterkrain), dort hinunter dem Gottschee-Land geknallt hat! Und es war richtig so. Denn so einen volkswirtschaftlichen Feiertag wie es gestern gegeben hat, wird die dortige jetzige sowie zukünftige Generation nicht so bald feiern, als die Eisenbahn feierlich eröffnet wurde /…/ Es war ein fröhhliger Tag für das ganze Land Krain, jedoch besonders fröhlich für diejenigen Orte, die das stündliche Dampfross bringt — das hat der Gott gegeben und das slowenische Glück! — eine bessere Zukunft, die es in einem Jahr um diese Zeit auch einem anderen, noch weiteren Gebiet unserer Heimat bringen wird.« «

So pathetisch hat am 28. September 1893 im Artikel mit dem Titel »Eröffnung der Dolenjska Eisenbahn« über die feierliche Eröffnung der Bahnstrecke Ljubljana–Kočevje die Zeitung Slovenski narod berichtet.

Kočevska-Eisenbahn. Zeitung Slovenski narod, Bericht über die Eröffnung der Kočevska-Eisenbahn, 28. September 1893
Bericht der Slovenski narod über die Eröffnung der Kočevska-Eisenbahn, 28. September 1893 ist hier verfügbar.

Im September 2023 werden 130 Jahre seit der Errichtung der Bahnstrecke vergehen. Ingenieur Carl Ritter von Ghega, der u. A. die Planung der Südbahn aus Wien durch Ljubljana nach Triest geleitet hat (deren Bau hat im Jahre 1839 begonnen) und der in Slowenien vielleicht mehr wegen dem Bau der während des zweiten Weltkrieges zertrümmerten Talbrücke in Borovnica bekannt ist, hat einige Jahrzehnte davor geschrieben: »Mit der Eisenbahn verschwinden die Entfernungen, die Eisenbahn fördert materielle Interessen, sie stärkt und verbreitet die Kultur.«

»Das stündliche Dampfross« ist angekommen und abgefahren …

Die Eisenbahn hat in Kočevska sicher Änderungen gebracht. Einerseits hat sie die Wirtschaftsentwicklung in Branchen wie Kohlenbergbau, Holzindustrie, ebenso die Handelstätigkeit gefördert und andererseits nach Kočevska verschiedene Intellektuelle, neue Kenntnisse und Ideen gebracht. Sie hat Leuten das Fenster zur Welt geöffnet, Informationstransfer gefördert und Entfernungen zwischen einzelnen Orten vermindert. Nur wurde die Eisenschlange nicht von allen mit Freude empfangen. Vor allem die an den Straßen gelegenen Fuhrmannsgasthäuser und Fuhrmänner (Transportführer mit Fuhrwerken) haben einen Gewinnrückgang erlebt.

In der Zeit der Wirtschaftskrisen haben die Züge ihre Passagiere auch in europäische Hafenstädte gebracht, von wo aus sie insbesondere nach Amerika ausgewandert sind, um deren Broterwerb in der Fremde zu suchen. Das Umbruchsjahr der gottscheerischen Geschichte 1941 war ebenso mit dem Zug verbunden. Die Gottscheer Deutschen, die für die Umsiedlung optiert haben, haben vorläufig eine Rassenuntersuchung genau im Zug am Bahnhof in Kočevje gemacht. Sogar 135 Zugkompositionen haben sie im Winter 1941/42 in das deutsche Reich bzw. in das Umzugsgebiet in Posavje und Obsotelje gebracht.

Bahnhof Kočevje. Aufgenommen von Josef Trapp, 1936, im Film Eine Reise durch Gottschee.
Bahnhof Kočevje. Aufgenommen von Josef Trapp, 1936, im Film Eine Reise durch Gottschee.

Von der Idee bis zum Bau der Kočevska-Bahn

Nach der Vollendung der Südbahn im Jahre 1857 sind Ideen zu Bahnverbindungen nach Dolenjska aufgetaucht. Im Jahre 1869 waren die ersten Baupläne der neuen Strecke Ljubljana–Novo mesto vorbereitet, die auch eine Verbindung mit Kočevje vorgesehen hatten. Der Weg bis zur Realisierung hat jedoch fast 30 Jahre gedauert. Die Kohlenbaugesellschaft aus Trbovlje hat im Jahre 1886 das Bergwerk der Braunkohle in Kočevje gekauft und sie ist die Hauptinitiatorin des Streckenbaus zwischen Ljubljana und Kočevje geworden. Dazu wurden auch der Abgeordnete des Nationalrates Fran Šuklje und Baron Josef Schwegel herangezogen, was die Angelegenheit in Bewegung gebracht hat und somit am 1. Juni 1892 die ersten Bauarbeiten begonnen haben.

Der erste Zug ist über die 76,1 km lange Strecke am 27. Juli 1893 in Kočevje angekommen, worauf Komissionskontrollen der Strecke und nach zwei Monaten auch die offizielle Eröffnung folgten.

Abschaffung und Erneuerung der Kočevsko-Bahn

Nach 1971 wurden die Personenzüge auf der Strecke Ljubljana–Kočevje wegen dem Rückgang von Passagieren abgeschafft, dies ging vor allem auf das Konto des (damals) zeitlich sparsameren Straßenverkehrs durch Dolenjska-Straße Ljubljana–Kočevje. Die Erneuerung der Strecke hat im Jahr 2008 begonnen und fand ihren Abschluss im Jahre 2020. Unter der Woche fahren aus Ljubljana nach Kočevje 11 Züge und am Wochenende 3 (Sonntags) bzw. 4 (Samstags) Züge. In die Gegenrichtung fahren unter der Woche 13 und am Wochenende 4 Züge.

Renovierte Bahngleise bei Stara Cerkev (Mitterdorf), 2019.
Renovierte Bahngleise bei Stara Cerkev (Mitterdorf), 2019. Foto: Anja Moric.

Unterführung nach Trata bzw. »kleiner Tunnel«

Zur Eisenbahnarchitektur gehören auch Über- sowie Unterführungen. BewohnerInnen von Kočevje ist die gewölbte Bahnunterführung nach Trata bekannt, die sie Tunnel nennen. Der Steinschönling noch aus der Zeit des Streckenbaus hat der dortigen Bevölkerung eine sichere Überquerung der Strecke sowie einen Zugang zu Wiesen und Äckern auf der anderen Streckenseite ermöglicht. Bei der Erneuerung der Bahnstrecke im Jahr 2016 haben Fachleute sowie die interessierte Öffentlichkeit nach einer längeren Diskussion doch die Erhaltung des »kleinen Tunnels« erreicht.

Dem Niedergang überlassen: originelle Eisenbahn-Feuerungsanlage und Drehscheibe

Zur Zeit steht es aber auch schlecht um nicht weniger wichtige übriggebliebene Eisenbahnobjekte in Kočevje. Im Rahmen des Bahnhofs Kočevje sind die ursprüngliche Eisenbahn-Feueranlage und die Drehscheibe erhalten geblieben, die im Jahr 1893 gebaut wurden. Die Feueranlage, in der es Platz für zwei Lokomotiven gibt, ist ein Kassettenbau, deren Fassade mit Holzbrettern verkleidet ist. Vor der Feueranlage gibt es eine Drehscheibe für Lokomotiven mit einem Durchmesser von 14,65 m und einer Tragfähigkeit von 80 Tonnen. Obwohl es im Falle der Eisenbahn-Feueranlage und der Drehscheibe aus Kočevje um das technische Erbe geht, welches in Slowenien heute schwer zu finden ist und seine Erhaltung von großer Bedeutung wäre, hat das Institut für Kulturerbschutz der Republik Slowenien im Jahr 2022 die Notwendigkeitsstufe dessen Erhaltung bloß auf »empfohlen« vermindert.

Beim Erkennungsmangel der Bedeutung solchen Erbes seitens des Besitzers – Slowenischer Eisenbahnen und lokaler Gemeinschaft in Kočevje – wird das Objekt, obwohl für seine Grundwartung bloß Basisfinanzmittel nötig wären, früher oder später verfallen sein. Kočevsko und die Republik Slowenien werden dadurch noch ein Denkmal des technischen und Eisenbahnerbes verlieren und die Gemeinde Kočevje ebenso eine Gelegenheit für ein interessantes touristisches Produkt. Es könnte nämlich in Kočevsko »auf alte Weise« noch der Museumzug umdrehen, einer derjenigen, den im Jahr 1893 BewohnerInnen der Ortschaften entlang der Strecke Ljubljana–Kočevje so feierlich empfangen haben.

Eisenbahnkessel aus dem Jahr 1893 am Bahnhof in Kočevje. 130 Jahre Kočevska-Eisenbahn.
Eisenbahnkessel aus dem Jahr 1893 am Bahnhof in Kočevje. Foto: Valentin Slaček.

Quellen:
– Register kulturne dediščine RS: https://geohub.gov.si/portal/apps/webappviewer/index.html?id=d6641ae60c0c47e9b027319f4f0f73
– Brate, Tadej in Ivan Kordiš. 1993. 100 let kočevske železnice: 1893–1993. Kočevje: Muzej.
– Fajfar, Simona. 2016. Kamnita dragotina je v nemilosti pri kočevski občini. Delo: https://old.delo.si/kultura/razno/kamnita-dragotina-je-v-nemilosti-pri-kocevski-obcini.html
– Kočevska proga. 2020. Ljubljana: Direkcija RS za infrastrukturo.
– Rustja, Karel. 2015. 120 let kočevske železnice. Kočevje: Pokrajinski muzej.

Wo leben Gottscheergemeinschaften heute? Den Artikel über Gottscheers in Cleveland finden Sie hier und über Gottscheers in New York hier.

Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: Slowenisch Englisch

Keine Kommentare gefunden

Hinterlasse eine Antwort

Discover more from Gottscheer Blog

Subscribe now to keep reading and get access to the full archive.

Continue reading