Die Multikulturalität des Gebiets der breiteren Region Gottschee könnte als eine einzige miteinander verflochtene “Kultur” oder Gemeinschaft betrachtet werden. Denn dort leben Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen zugewandert sind, und die kulturelle Vielfalt ist ein fester Bestandteil ihres täglichen Lebens. Ankünfte und Abreisen gehören seit Jahrhunderten zu dieser Region. Das ist zwar in jedem Gebiet der Fall, aber in Gottschee ist es jedoch besonders ausgeprägt. Umso erstaunlicher erscheint es, dass uns ein Fragment der mündlichen Überlieferung, das in diesen Orten aufgezeichnet wurde, immer noch überrascht.

Volksliedmaterial im Archiv des Instituts für Ethnomusikologie ZRC SAZU
Im Rahmen des Forschungsprojekts Teža preteklosti. Dediščina večkulturnega območja: primer Kočevske (Die Last der Vergangenheit: Das Erbe der multikulturellen Region – Beispiel aus der Region Gottschee) haben wir uns auch intensiver mit dem Material befasst, das von den Kollegen des Instituts für Ethnomusikologie im Forschungszentrum der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste (abk. ZRC SAZU) während der 90-jährigen Geschichte des Instituts (das in diesem Jahr sein Jubiläum feiert) gesammelt wurde, sowie mit dem noch älteren Material, das das Institut als zentrale Einrichtung für Volksmusik, Gesang und Tanz im slowenischen Raum aufbewahrt. Anfangs schien es, als gäbe es fast kein Material aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, aber eine genauere Durchsicht des Archivs zeigte, dass dies nicht der Fall war. Es gibt zwar kein Material, das konkret von den Mitarbeitern des Instituts gesammelt wurde, aber aufgrund der Zusammenarbeit mit verwandten Institutionen in Österreich und Deutschland verfügt das Institut über Kopien des Materials, das sonst in anderen Ländern aufbewahrt wird. Die Volkslieder in Gottschee wurden zu der Zeit aufgenommen, als Slowenien noch ein Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie war.

Tonaufnahmen in Gottschee
Aber kehren wir zu den Überraschungen zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg, genauer gesagt nach dem Jahr 1953, begann das Institut mit den Tonaufnahmen. Das heißt, man ging zu den Menschen und nahm ihren Gesang auf. Mehrere solcher Aufnahmen wurden auch in Gottschee gemacht. Mag Igor Cvetko nahm 1992 in Kočevska Reka eine Gruppe der Sänger auf, die für ihn folgende slowenische Volkslieder sangen: Tam dol na ravnem polju, Preozke so stezice, Ko psi zalajajo po celi vas na glas, Fantič pride pod okence stat, Sijaj mi sončece, Duša le pojdi zmanoj, Ênglaš valcer (Akkordeon), Ta stara polka (Akkordeon), Se spominjaš davnih časov (Akkordeon), Moje dekle je še mlado, ja, ja, Sinoči je pela, En hribček bom kupil, Grêmo na Štajersko, Ko so fantje proti vasi šli, Moj očka ima konjička dva, Moj fantič je na t(i)rolsko vandral, Al me boš kaj rada imela, Ko so Adáma pokopal, Soča voda je šumela, Micika v püngradi, Rozamunda (Akkordeon), Ena starinska(Akkordeon).
Das Lied “Micika v püngradi” (dt.: Micika in einem Garten)
Püngrad ist das Wort für Garten im Prekmurje-Dialekt. Im Volkslied pflückt Micika Blumen und spricht mit ihrem Geliebten.
Das Lied Micika v püngradi wird von einer Frau und einem Mann in einem schönen (authentischen) Dialekt aus dem Übermurgebiet (sl. Prekmurje) gesungen. Nach Gottschee zogen sie 1954 aus Prekmurje, aus zwei verschiedenen Orten, um. Die Umsiedlung von Leuten aus dem Gebiet Prekmurje in die während des Zweiten Weltkriegs verlassenen Dörfer in Gottschee ist zwar bekannt und dokumentiert. Es scheint jedoch, dass wir uns ihrer Anwesenheit erst dann bewusstwerden, wenn wir ein Lied im Dialekt vom anderen Ende Sloweniens hören. Ich stellte die Tonaufnahme dieses Liedes auf einer Podiumsdiskussion vor, die im Rahmen des Projekts “Die Last der Vergangenheit: Das Erbe der multikulturellen Region – Beispiel aus der Region Gottschee” im März 2024 in Ljubljana organisiert wurde. Auch zwei einheimische Frauen aus Gottschee, Nachkommen der Gottscheer, nahmen daran teil. Ihre Reaktion, als sie die ersten Strophen des Liedes hörten, war interessant, denn es war ihnen völlig fremd und es war offensichtlich, dass sie den Text nicht verstanden. Obwohl ihnen die Geschichte des Gebiets gut bekannt ist, sie in das lokale Leben eingebunden sind und aktiv an kulturellen Vereinen teilnehmen, dennoch wurden sie vom Lied überrascht. Das Lied ist ein schönes Beispiel dafür, wie fließend die Tradition ist und wie sich ein Volkslied von einem Gebiet in ein anderes überträgt. Ein Beispiel, das auch für Forscher der Erbtheorie, ihrer Entstehung und Wandlung interessant ist.

Artikel Was macht “Micika v püngradi” (Maria im Garten) in Gottschee? – Lieder aus dem Übermurgebiet in Gottschee ist Teil des Projekts Teža preteklosti. Dediščina večkulturnega območja: primer Kočevske wurde von der slowenischen Forschungsagentur finanziell unterstützt.
Unser vorheriger Beitrag: Der Friedhof in Stari Log.
Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: Slowenisch Englisch
Keine Kommentare gefunden