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Deutschsprachige Gemeinschaft: Nachdenken über Unterschiedlichkeiten in der Alpe-Adria-Region

Die Alpe-Adria-Region, zu der auch österreichisches Kärnten und die Steiermark, Julisch Venetien, Slowenien und Istrien gehören, ist ein Labor zahlreicher Merkmale, die die Völker auf diesem Gebiet sowohl trennen als auch vereinen. Auch wenn das „schwierige“ 20. Jahrhundert mit seinen Nationalismen, Kriegen und Konflikten vorbei ist, beeinflusst es immer noch den Alltag der Region. Die ethnische Zugehörigkeit ist nach wie vor ein wichtiger Teil der menschlichen Identität und ihre Erforschung ist eine der wichtigsten Dimensionen des wissenschaftlichen Denkens zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien

Die Ereignisse des 20. Jahrhunderts und ihre Folgen hatten fatale Auswirkungen auf den sozialen Kontext, die grenzüberschreitenden Beziehungen und den geographischen Raum zwischen Österreich und Slowenien. Sie betrafen insbesondere die slowenische Nationalgemeinschaft im österreichischen Kärnten und in der Steiermark und deutschsprachige Gemeinschaft in Slowenien.

Historische Ereignisse, die tiefe Traumata in dieser Region hinterlassen haben und auf denen eine gegensätzliche und oft widersprüchliche Erinnerungskultur beruht, sind: die Grenzstreitigkeiten nach dem Ersten Weltkrieg, der so genannte „Abwehrkampf“ auf der österreichischen oder „Kampf um die nördliche Grenze“ auf der slowenischen Seite, Nazismus und Besetzung Jugoslawiens durch die Nazis, Aufstand der Partisanen, jugoslawische Besetzung Kärntens und neue Grenzstreitigkeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, die Massaker nach dem Zweiten Weltkrieg und das kommunistische System in Slowenien, Frage der Minderheitenrechte der Kärntner Slowenen, österreichisch-jugoslawische (slowenische) Beziehungen während des Kalten Krieges, aber auch die Frage der „deutschsprachigen Minderheit“ in Slowenien nach 1991.

Slowenische und österreichische Wissenschaftler arbeiten auch daran, drängende Fragen der slowenisch-österreichischen Vergangenheit durch gemeinsame Publikationen zu beleuchten, wie z. B. das Buch Slovenija / Österreich, befreiendes Erinnern.
Slowenische und österreichische Wissenschaftler arbeiten auch daran, drängende Fragen der slowenisch-österreichischen Vergangenheit durch gemeinsame Publikationen zu beleuchten, wie z. B. das Buch Slovenija / Österreich, befreiendes Erinnern.

Stereotype prägen die Beziehungen zwischen Nachbarn und die Politik gegenüber Minderheiten

Das negative oder sogar feindselige Bild der Deutschen/Österreicher in Slowenien und Slowenen/Jugoslawen in Österreich ist das Ergebnis eines Geschichtsverständnisses durch ein nationales und/oder nationalistisches Prisma. In Europa herrschen immer noch die Vorstellungen vor, die sich in Mitte des 19. Jahrhunderts, zu Beginn der modernen Nationalstaaten herausgebildet haben. Dabei spielen nationale Stereotypen zwischen den benachbarten Nationen eine große Rolle. Der „nationale“ Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen im geographischen Alpe-Adria-Raum wurde im 20. Jahrhundert durch die beiden Weltkriege noch verstärkt und tritt nur langsam und mühsam in den Hintergrund. Bei bestimmten “Störungen” in Beziehung zwischen den Nachbarstaaten kommen diese Gefühle an die Oberfläche, vor allem in Form von Misstrauen gegenüber der Nachbarnation. Politische Meinungsverschiedenheiten ergeben sich insbesondere in der Frage der Haltung der Republik Österreich gegenüber der slowenischen Volksgruppe in Kärnten und in der Steiermark und der Haltung der Republik Slowenien gegenüber der deutschsprachigen Nationalgemeinschaft in Slowenien.

Seit zehn Jahren versucht das Projekt Alpen-Adria-Friedensregion, durch einen offenen öffentlichen Dialog eine Region des Friedens, der Koexistenz und der Zusammenarbeit zwischen Slowenien und Österreich zu schaffen. Foto: Danijel Grafenauer.
Seit zehn Jahren versucht das Projekt AlpenAdria-Friedensregion, durch einen offenen öffentlichen Dialog eine Region des Friedens, der Koexistenz und der Zusammenarbeit zwischen Slowenien und Österreich zu schaffen. Foto: Danijel Grafenauer.

Deutschsprachige Gemeinschaft in Slowenien

Es ist bekannt, dass der Dachverband der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien mit der Regelung im Kulturabkommen zwischen Slowenien und Österreich nicht zufrieden ist, die sich im Artikel 15 auf die Einbeziehung kultureller, bildungspolitischer, wissenschaftlicher und anderer Vorhaben der deutschsprachigen Bevölkerung in Slowenien in die zwischenstaatlichen Beziehungen beruft. Auch das österreichische Parlament hat wiederholt die Anerkennung und Regelung der Minderheitenrechte der deutschsprachigen Gemeinschaft in Slowenien in gleicher Weise wie die der italienischen und ungarischen Nationalgemeinschaft gefordert.

Derzeit gibt es im Kulturministerium eine Arbeitsgruppe für den ständigen Dialog mit den Vortretern der deutschsprachigen Nationalgemeinschaft in der Republik Slowenien, was wichtig ist, weil sie damit einen Gesprächspartner auf nationaler Ebene hat. Ich sehe es als eine historische Niederlage an, dass die österreichische und slowenische Bevölkerung nach der Tragödie der beiden Weltkriege keine gemeinsame Sprache finden konnten. Die historischen und kulturellen Verbindungen zwischen den beiden Staaten machen es zwingend notwendig, dass die deutschsprachige Gemeinschaft in Slowenien erhalten und gepflegt wird. Zu diesem Zweck müssen rasche Schritte nach vorne unternommen werden.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für nationale Fragen und dem Verband der Kulturvereine der deutschsprachigen Volksgruppen in Slowenien fand am 8. Dezember 2021 Runder Tisch zum Thema: „Deutschsprachige ethnische Gruppe der Bürger in der Republik Slowenien“ statt. Der Zweck der Veranstaltung war es, über die Gegenwart und die Zukunft der deutschsprachigen Gemeinschaft nachzudenken.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für nationale Fragen und dem Verband der Kulturvereine der deutschsprachigen Volksgruppen in Slowenien fand am 8. Dezember 2021 Runder Tisch zum Thema: „Deutschsprachige ethnische Gruppe der Bürger in der Republik Slowenien“ statt. Der Zweck der Veranstaltung war es, über die Gegenwart und die Zukunft der deutschsprachigen Gemeinschaft nachzudenken.

Das Beinahe-Verschwinden der deutschen Minderheit in Slowenien

Die deutsche Minderheit in Slowenien erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg das Schicksal vieler deutschen Gemeinschaften in Europa. Aufgrund der Nazifizierung vor und während des Zweiten Weltkrieges und der Kollaboration mit den Nazis wurden die Deutschen in Slowenien kollektiv für die Hitler-Verbrechen verantwortlich gemacht und oft auch dafür bestraft. Nach der Vertreibung der meisten Deutschen in den Jahren 1945 und 1946 (die meisten von ihnen flohen aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der neuen Behörden, aber es gab auch zahlreiche außergerichtliche Tötungen, Justifikationen, harte Behandlung in Lagern und erzwungene Emigration) blieben nur noch wenige Angehörige der deutschen Nationalminderheit aus der Vorkriegszeit in Slowenien.

Der runde Tisch zum Thema "Europäische Identitäten und Kulturen", der am 15. November 2019 in Ljubljana stattfand, ist eine der Veranstaltungen, die vom Institut für ethnische Fragen organisiert werden, um über das Zusammenleben zwischen verschiedenen ethnischen Gemeinschaften in Europa nachzudenken. Foto: Danijel Grafenauer.
Der runde Tisch zum Thema “Europäische Identitäten und Kulturen”, der am 15. November 2019 in Ljubljana stattfand, ist eine der Veranstaltungen, die vom Institut für ethnische Fragen organisiert werden, um über das Zusammenleben zwischen verschiedenen ethnischen Gemeinschaften in Europa nachzudenken. Foto: Danijel Grafenauer.

Deutsche Gemeinschaft in Slowenien nach dem Zweiten Weltkrieg

Die deutsche Gemeinschaft in Slowenien (d. h. Personen mit österreichischer und deutscher Staatsangehörigkeit und Personen mit deutscher Muttersprache) in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war durch ihre geringe Zahl, ihre Streuung und in hohem Maße durch ihre „Nicht-Nativität“ gekennzeichnet, da etwa 70 % der Personen, die sich bei der Volkszählung 2002 als deutschsprachig, österreichisch oder deutsch bezeichneten, nicht in Slowenien geboren waren. In Bezug auf ethnische Vitalität, d. h. die Anzahl, das Gruppenleben und die Aufrechterhaltung einer ethnischen Gemeinschaft, scheinen die Deutschsprachigen nicht die besten Chancen, die Voraussetzungen für erfolgreiches langfristiges Überleben zu schaffen.

Die verstreute Ansiedlung der Deutschen, Österreicher und Personen mit deutscher Muttersprache hat zwar „einige praktische Möglichkeiten, ihre eigenen ethnischen und kulturellen Identitäten zu bewahren“. Dazu gehört die Möglichkeit, die Muttersprache von der Grundschule an zu lernen, wo Deutsch die erste, zweite Pflicht- oder Wahlsprache ist. Die Möglichkeit, Deutsch zu lernen, besteht mehr oder weniger auf dem gesamten Gebiet der Republik Slowenien. In den weiterführenden Schulen und einigen Fakultäten wird diese Praxis auch fortgesetzt.

Gottscheerische Gemeinschaft in Občice (Krapflern) ist seit der Unabhängigkeit der Republik Slowenien aktiv, insbesondere im Bereich der kulturellen Aktivitäten.

Die Vielfalt soll Europa vereinen

Die etwa 10 Vereine, die die deutschsprachige Gemeinschaft in Slowenien zusammenführen oder sich für den Erhalt der deutschen Kultur einsetzen, sind sich nicht einig, welchen Schutz die Gemeinschaft braucht. Dennoch bin ich der Meinung, dass die staatlichen Institutionen die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass die kulturelle Vielfalt und die Vielfalt der ethnischen Zusammensetzung (z. B. die Überreste der Gottscheer oder Deutschen) in Slowenien erhalten und gepflegt werden müssen. In diese Richtung gehen auch die Empfehlungen und Stellungnahmen der Expertenkommission zur Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen in Slowenien.

Auf dem geographischen Gebiet Europas leben heute über 300 verschiedene ethnische, religiöse und kulturell-sprachliche nationale Gruppen, die etwa 104 Millionen Menschen umfassen (die derzeitige europäische Bevölkerung beträgt heute etwa 900 Millionen). Aus diesem Grund widmet Europa den Minderheitenfragen eine besondere Aufmerksamkeit. Die demokratische Zukunft Europas liegt in der Anerkennung ihrer Minderheitengemeinschaften und verschiedensten Minderheiten und in „großzügiger“ Lösung der damit verbundenen Fragen. Lösungen müssen durch die Anerkennung unserer gemeinsamen Geschichte und der Qualitäten, die uns verbinden und das Vertrauen zwischen den Völkern stärken, gesucht werden. Das Engagement für die konsequente Umsetzung der verabschiedeten Rechtsvorschriften trägt letztendlich zu einem wohlhabenderen und attraktiveren Europa für alle seine Bürger bei.

Dieser Artikel ist Teil des Projekts Das Gewicht der Vergangenheit. Das Erbe des multikulturellen Gebiets: Fallstudie der Gottschee. . Projekt (Teža preteklosti. Dediščina večkulturnega območja: primer Kočevske, J6-4612) je sofinancirala Javna agencija za raziskovalno dejavnost Republike Slovenije iz državnega proračuna.

Lesen Sie hier mehr über die Aktivitäten des Gottscheer Altsiedlervereines.

Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: Slowenisch Englisch

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