Eine Sekunde nachdem mir mein Kollege mit der Hand andeutet, dass ich näher kommen soll, erblicke ich die Gämse. Das ist ein prächtiges Tier, das nicht zögert und im nächsten Moment verschwindet sie von dem steilen Hang über Kolpa. »Vielleicht werden wir noch welche sehen,« sagt mein Gefährte. Sofort danach vergesse ich auf das Hohlhorn, da sich eine fantastische Aussicht eröffnet: eine Menge von kleineren und höheren hellgrünen Bergen, darunter windet sich der Fluß und darüber befinden sich die Reste vom Morgennebelschleier, oben blauer Himmel, der ab und zu von einer weißen Wolke abgebrochen wird. Aber nirgendwo gibt es den schwarzen Streicher, wonach der Urwald benannt wurde!
Krokar ist ein jener Gebiete, wo der Mensch die Zügel der Natur überlassen hat. Nicht ganz, würde mich Förster Tomaž Hartman korrigieren, der im Jahre 2014 zusammen mit fünf Fotografen eine zweisprachige Monographie über den Urwald herausgegeben hat. Auch das Naturschutzgebiet kann man vor der verschmutzten Luft, dem sauren Regen u. Ä. nicht schützen. Die menschliche Dummheit ist grenzenlos! Wie Hartman noch gerne betont, ist der Urwald eine Einsicht in unsere ferne Vergangenheit. »Unsere Weltauffassung ist nicht die einzig richtige und wahre,« hat er mir am Anfang letzten Jahres gesagt. Er hat Recht.
Urwald von Kočevska-Region
Kočevska Region hat sechs Reste vom Urwald und ist deswegen vor allem für die Förster etwas Besonderes. Krokar, Teil von Borovška gora, streckt sich über etwas mehr als 74 Hektar und ist ein Zufluchtsort für Bären, Wölfe, Bergadler, Wanderfalken, schwarze Spechte, Auerhähne, Luchse … sowie einer Menge kleine Tiere, die man bloßen Auges kaum wahrnimmt. Der unhörbare Rummel in zerfallenen Baumstämmen ist nur deswegen dort, weil die Natur die Zügel in ihren Händen hält.
Was den Naturkatastrophen nicht gewachsen ist, fällt und verfault. Was gewinnt, wächst an und dominiert. Und es herrscht die Buche vor, die – so Fachleute – sich in der Eiszeit hier erhalten und über Jahrtausende ganz bis nach Norden verbreitet hat. Genau deswegen ist der Urwald Krokar seit 2017 auf der Unesco-Liste der Naturerben eingetragen. »Die Eintragung ist das Ergebnis von 120- jährigen Bestrebungen,« meint Mag. Bojan Kocjan aus der Zweigsstelle Kočevje des Forstinstituts.
Eine dicke Akte, Materialsammlungen von fünf Jahren, Besichtigungen und Überprüfungen, dass Krokar weltwichtig geworden ist. »Die Buche konnte nur da überleben. Nördlicher gab es damals das Eis. Als das Eis angefangen hat sich zurückzuziehen, hat sich die Buche von da gerade verbreitet« erklärt Kocjan die ausnehmende Entwicklung der Ökosysteme der Buche vor etwa 12.000 Jahren. Gemeinsam mit der Buche haben sich durch Europa auch andere Pflanzen und Tiere verbreitet. Auf der Liste gibt es 63 Gebiete der altertümlichen und elementaren Buchenwälder aus 10 Ländern. Außer Krokar gibt es auf der Liste auch das slowenische Snežnik-Ždrocle.
»Urwälder sind Urwälder geblieben, weil sich jemand entschieden hat, sie in Ruhe zu lassen,« erklärt Mag. Bojan Kocjan. Eine wichtige Rolle dabei spielte Leopold Hufnagel, der mit dem ersten waldwirtschaftlichen Plan die ersten zwei Reste vom Urwald abgesondert hat. »Diese zwei, Abteilung 38 und 39, die er im Jahre 1892 in Anmerkungen erwähnt hat, gibt es nicht mehr, sie wurden nach dem zweiten Weltkrieg gefällt,« ergänzt Kocjan. Notizen in der Literatur beschreiben, dass auf Borovška gora schon längst ein riesiger Urwald existiert hat, der nach dem Krieg abgeholzt wurde. »Krokar ist der Rest eines weiteren Gebietes, das auf Borovška gora unberührbar war.«
Wir betreten den Urwald nicht!
Die Eintragung auf die Unesco-Liste als Naturerbe bringt auch Verantwortung und Verpflichtungen mit sich. Auch deswegen darf man auf dem gut abgetretenen Fußweg, der einen Unwissenden irreführt und in den Urwald führt, nicht gehen! Besucher sollten bis zum Rand von Krokar von der Richtung Cerk kommen. Der Eintritt in den Urwald, der mit blauer Farbe markiert ist, ist streng verboten. Darin dürfen alle 10 Jahre nur Förster, die Bäume abmessen, die dicker als 10 cm sind. Wie der Förster aus Kočevje noch zugibt, gehen sie auch nach der Wachsaison hinein, um die Entwicklung des Urwald weniger zu beeinflussen…
Quellen:
– Tomaž, Hartman. 2014. Pragozd: pranarava Kočevske.
– Kocjan, Bojan, MSc. 2019. Interview mit Petra Šolar.
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