Kultur

Das Siebenschläfermännchen (Pilichmandle) – Hüter der Siebenschläfer

Die Gottscheerischen Wälder haben mit ihrer Schönheit und Rätselhaftigkeit häufig die menschliche Phantasie aufgewühlt. Leute haben basierend auf Naturphänomenen und ungewöhnlichen Ereignissen, die sie sich nicht erklären konnten, Geschichten ersinnt. Bei Eulenrufen, dem Knallen von Ästern im Wald und bei Änderungen der Siebenschläferpopulation ist eine Erzählung über das Siebenschläfermännchen (Gottscheerisch: Pilihmandle) entstanden, ein zwergwüchsigen Lebewesen, das in der Zeit der Siebenschläferjagd die gottscheerischen Siebenschläferjäger geneckt hat.

Bild vom Siebenschläfermännchen (Pilichmandle) aus dem Kinderbuch Polšji možic: zgodba iz kočevskih gozdov (Das Pilichmandle: Die Geschichte aus Gottscheerischen Wäldern). Anja Moric
Bild vom Siebenschläfermännchen (Pilichmandle) aus dem Kinderbuch Polšji možic: zgodba iz kočevskih gozdov (Das Pilichmandle: Die Geschichte aus Gottscheerischen Wäldern).

Das Pilichmandle als Hüter der Siebenschläfer

Das Pilichmandle hat in der Nacht Siebenschläferjäger erschreckt, sich über sie lustig gemacht und ausgelegte Fallen ausgelöst. Er ist auch dann erschienen, als Siebenschläfer zu stark gejagt wurden und mit Peitschenknallen hat er sie in Verstecke in Baumhöhlen und unter der Erde oder sogar in einen anderen Wald geführt. Siebenschläfer sind ihm gefolgt, wenn er mit seiner Axt dreimal auf jede Buche geklopft hat. Üblicherweise wurden in Krain ähnliche Taten dem Teufel zugeschrieben – wir können uns nur an z. B. bekannte Bilder des Teufels von Valvasor erinnern, der Siebenschläfer auf die Weide treibt – zum Repertoire dieser Erzählung gehört auch das Gottscheerische Pilichmandle. Auf die Verbindung zwischen dem Pilichmandle und dem Teufel lassen seine Erscheinung in Form eines kleinen Lebewesens bzw. Zwerges, seine Aufmachung (rote Mütze und grüner Mantel) sowie die Geräusche, die seine Ankunft begleiten, (Peitschenknall) schließen.

Abbildung vom Teufel aus Valvasors „Die Ehre des Herzogthums Crain“, der Siebenschläfer auf die Weide treibt.
Abbildung vom Teufel aus Valvasors „Die Ehre des Herzogthums Crain“, der Siebenschläfer auf die Weide treibt.

Mit Geschichten über Pilichmandle wurden vor allem Rückgänge der Siebenschläferpopulation erklärt, von denen es WissenschaftlerInnen bis heute nicht gelungen, diese zu erklären. Sie haben festgestellt, dass der Siebenschläfer seinen Fortpflanzungszyklus an die Buchenfruchtbarkeit anpasst, da wenn Buchen tragen auch die Siebenschläferpopulation zahlreicher wird. Andererseits haben sich Siebenschläferjäger mit Pilichmandle Stimmen im Wald erklärt. Knallen, Schnalzen und Pfeifen nachts im Wald sollten die Menge von Siebenschläfern wegtreiben, die die Jäger einfach mit ihren Mänteln und Stiefeln fangen konnten. Die Geräusche, vor denen Siebenschläfer Angst hatten und worüber die Geschichten ersinnt wurden, haben eigentlich Eulen verursacht, die Fackelfeuer von Siebenschläfern verblendet haben und auf diese Art Eindringlinge wegtrieben. Nur haben die Eulenrufe keine Jäger, sondern die Siebenschläfer zur Flucht bewegt. Eulen sind nämlich deren natürliche Feinde.

Siebenschläferjagdd in Kočevska (Gottschee) Region

Seit dem Mittelalter bis zum zweiten Weltkrieg war die Siebenschläferjagd für die Landbevölkerung in Krain sowie für Gottscheer sehr wichtig. Das Siebenschläferfleisch war eine wichtige Eiweißquelle, sein Schmalz wurde als hausgemachte Arznei gegen Frostbeulen, für die Wundenheilung, gegen Ohrentzündungen und sogar für die Heilung der Haustiere gebraucht, und aus Siebenschläferpelz wurden Kopfbedeckungen – Bilchfellmützen – Kragen und Mäntel gemacht und damit die Winterbekleidung gefüttert. Schmalz und Pelze wurden auch verkauft.

Bilchfellmütze. Aufbewahrt vom Putscherle Institut.


Siebenschläfer wurden auf mehrere Weisen gejagt. Üblicherweise wurden sie mit einem Stab aus der Baumhöhle gestochert oder es wurde zur Siebenschläfergrube eine Kiste mit einer Öffnung gestellt, wobei rundherum Nägel eingeschlagen wurden. Siebenschläfer sind in die Falle gelaufen und konnten nicht mehr fliehen. Heutzutage ist so eine Jagdweise aus ethischer Sicht nicht akzeptabel, die Jagd mit Fallen ist aber immer noch verbreitet, bei der die Fallen auf Ruten aufgesteckt und auf Bäume in die Nähe der Siebenschläferhöhlen oder vor Siebenschläfergruben gestellt werden. Weil Siebenschläfer allerdings nachtaktiv sind, haben die Siebenschläferjäger oft die ganze Nacht mit der Jagd verbracht. Normalerweise haben sie sich am Feuer gewärmt und in der Glut Kartoffeln gebraten. Sie haben dazu sehr gern Schnaps oder Most getrunken. Die Siebenschläferjagd lebt bis heute, aber hat vor allem gesellschaftliche Bedeutung.

Bedeutung vom Pilichmandle heute: Natur- und Waldhüter

In Slowenien leben vier Siebenschläferarten, die sich untereinander hauptsächlich nach der Größe unterscheiden: Siebenschläfer, Baumschläfer, Gartenschläfer und die Haselmaus. Mit der Ausnahme vom Siebenschläfer sind die anderen drei Siebenschläferarten den gefährdeten Tierarten zugeordnet. Grund dafür sind Änderungen in deren Lebensumwelt, insbesondere das Aushauen von Wäldern, weil Siebenschläfer für ihr Überleben geschlossene Baumkronen brauchen. Heute warnt uns das Pilichmandle nicht mehr nur vor der unangebrachten (übermäßigten) Siebenschläferjagd, sondern macht uns vor allem die Bedeutung der Bewahrung von Wald und Natur bewusst.

Das Kinderbuch Das Pilichmandle: Geschichte aus Gottscheerischen Wäldern

Das Putscherle Institut hat Ende 2021 das Kinderbuch Das Pilichmandle: Geschichte aus Gottscheerischen Wäldern herausgegeben, in dem Kinder und Eltern diesen typisch Gottscheerischen Erzählungshelden kennenlernen. Ideell folgt die Geschichte den alten Erzählungen und bringt auch einen Einblick in die geheimnisvolle Welt der Gottscheerischen Wälder sowie deren Einwohner, da im Buch einige gefährdete Tierarten vorgestellt werden. Neugierigeren ist das Vorwort gewidmet, das auch als didaktisches Mittel für Volksschulen genutzt werden kann. Das Bilderbuch trägt die Bezeichnung “medvedu prijazno” (bärenfreundlich).

Autorin des Bilderbuches über Siebenschläfermännchen Dr. Anja Moric (rechts) und Illustratorin Barbara Koblar (links) mit Büchern über Erzählungshelden aus Kočevska/Gottschee-Land, Kostel und Osilnica.
Autorin des Bilderbuches über Siebenschläfermännchen Dr. Anja Moric (rechts) und Illustratorin Barbara Koblar (links) mit Büchern über Erzählungshelden aus Kočevska/Gottschee-Land, Kostel und Osilnica.

Quellen:
– Moric, Anja. 2021. Polšji možic: Zgodba iz kočevskih gozdov. Stara Cerkev: Zavod Putscherle.
– Moric, Anja. 2018. Vitrine spomina. Stara Cerkev: Zavod Putscherle.
– Tschinkel, Wilhelm. 2004. Kočevarska folklora: v šegah, navadah, pravljicah, povedkah, legendah in drugih folklornih izročilih = Gottscheer Volkstum: in Sitte, Brauch, Märchen, Sagen, Legenden und anderen volkstümlichen Überlieferungen. Ljubljana: Založba ZRC, ZRC SAZU.
– Hauffen, Adolf. 1895. Die deutsche Sprachinsel Gottschee: Geschichte und Mundart, Lebensverhältnisse, Sitten und Gebräuche, Sagen, Märchen und Lieder. Graz: Styria.
– Valvasor, Janez Vajkard. 1689. Slava Vojvodine Kranjske.

Unser vorheriger Artikel widmet sich der gestohlenen Kindheit und den Erinnerungen an den (Nach-)Krieg im Dragarska (Suchener)-Tal und Umgebung. .

Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: Slowenisch Englisch

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