Kultur

Die Volkstanzgruppe des Gottscheer Altsiedler Vereins

Als ich in meinen Erinnerungen gekramt habe, habe ich erkannt, woher mein Interesse und die Faszination für die gottscheerische Sprache – Gottscheerisch – sowie die Geschichte von GottscheerInnen stammt. Eigentlich begleitet sie mich schon von klein auf. Meine Eltern haben mich im Sinne alter Bräuche erzogen und mich ans Leben unserer Vorfahren erinnert. Die Erinnerungen sind sehr warm und ich würde es mir wirklich wünschen, dass meine Kinder die gleichen Möglichkeiten hätten.

Lernstunde für Kinder im Gottscheer Altsiedler Verein

Das Dorf Občice (Gottscheerisch: Kropflarn, Deutsch: Krapflern) hat mit dem Gottscheer Altsiedler Verein gelebt. Im Rahmen des Vereins hatte ich die Möglichkeit, mich aktiv mit dem Gottscheerischen und Deutschen vertraut zu machen, weil diesen Verein viele fremdsprachige Gruppen und Einzelpersonen besucht haben. Wenn ich verstehen wollte, was sie sagen, musste ich Deutsch und Gottscheerisch lernen. Frauen Maridi Tscherne und Andreja Retelj haben für uns Kinder verschiedene lehrreiche Animationen, sowie Deutsch- und Gottscheerisch-Sprachkurse vorbereitet.

Wir Kinder sind sehr gern zu den Workshops gekommen, da es zu Hause solche Möglichkeiten fürs Schaffen nicht gab. Das Programm der Sprachworkshops war sehr bunt und fanden oft statt, was für das Lernen und Erhalten der Sprache sehr wichtig ist. Wir haben praktisch die ganzen Ferien im Gottscheer Altsiedler Verein verbracht. Ich erinnere mich an den weißen Kombibus des Vereins, der in umliegenden Dörfern die Kinder abgeholt und sie zu Lernstunden im Verein gebracht hat. Und das war nicht alles. Mit dem Kleinbus sind wir auch in die Ferien nach Kočevje und nach Klagenfurt zum Deutschkurs gefahren, der einen Wendepunkt in meinem Leben darstellte, weil ich seitdem sehr gern Deutsch spreche. Es ist sehr wichtig, dass ein Kind einige Zeit allein in der fremdsprachigen Umgebung verbringt. Ich weiß, dass all das für den Verein ein harter finanzieller Brocken zu stemmen war, wofür Frau Doris Debenjak und Herrn August Gril Anerkennung gebührt.

Urška Kop, Maisschälen, September 2016. Foto: Anja Moric.

Weil sehr viele Kinder den Verein besucht haben, haben wir uns »Gottscheer Jugendgruppe« genannt. Der Kindergesangschor hat unter der Leitung von Frau Maridi Tscherne gottscheerische Lieder gesungen. Zu dieser Zeit hatten wir sehr viele Auftritte zu Hause und im Ausland. Jeder Auftritt hat uns neue Erfahrungen und Abenteuer gebracht. Ich bin der Meinung, dass es damals mehr Geld zur Förderung der Kultur und Sprache gab. Aber leider ist es gerade wegen des Geldes zu Streitigkeiten und lebenslänglichen Zerwürfnissen gekommen. Es ist traurig, dass sich die Geschichte zum Schlechten entwickelt hat. Das Leben im Gottscheer Altsiedler Verein war abgeklungen bzw. wurde plötzlich beendet. Die Arbeit im Verein wurde nur noch von einer Handvoll fremder Menschen umgesetzt.

Anfänge der Gottscheer Volkstanzgruppe

Die Jugendgruppe, die lange den Verein besucht hat, ist erwachsen geworden. Wir sind Männer und Frauen geworden. Wir haben uns um die Familie gekümmert. Die Kindererziehung ist unsere Hauptaufgabe im Leben geworden. Als Eltern ist man verantwortlich, dem Kind das Kulturerbe zu übergeben, das man selbst erlebt hat. Es ist von jeder Einzelperson abhängig, wie sehr sie sich dabei bemühen wird.

Anfänge im Touristenverein Pod Srebotnikom

Ich bin auf die Idee gekommen, durch Tanz anschaulicher bzw. lebendiger die Gottscheer Identität vorzustellen. Ich habe den Touristenverband Pod Srebotnikom gegründet. Zuerst habe ich mich auf Veranstaltungen im Heimatort fokusiert, wie es das Johannisfest, Maisschälen, Nikolausabend, Faschingsumzug, Feier am Frauentag und Weihnachtswanderung mit Fackeln sind. Später habe ich mich auf die Forschung der Gottscher Bräuche und Feste, Bauernarbeit sowie gottscheerische Tanzüberlieferung konzentriert. Die Anfänge waren sehr schwer, weil ich lediglich von der Idee ausgegangen bin, jedoch ohne Gottscheer Trachten, Geld und einer Menschengruppen, die an Gottscheertanz glauben würde. Aber mit einem starken Willen und der Investierung eigener Zeit ist die Idee mit der Zeit Realität geworden.

Maisschälen in Obrh pri Dolenjskih Toplicah, In Organisation des Tuoristenverbands Pod Srebotnikom, September 2016. Foto: Anja Moric.

Die Volkstanzgruppe des Gottscheer Altsiedler Vereins

Es haben sich Einzelpersonen aus dem Tal sowie TänzerInnen aus den umliegenden Dörfern versammelt und wir haben die Gottscheer Volkstanzgruppe gegründet. Beim Tanzunterricht hat uns der damalige Leiter der Volkstanzgruppe Semiška ohcet Herr Franc Šprajcer geholfen. Die erste Übung hat im August 2015 im Freien stattgefunden. Im Herbst 2015 haben wir mit den Übungen in Räumlichkeiten des Instituts Moschnice angefangen, und zwar im Saal August Schauer in Kočevske Poljane. Das erste gottscheerische Lied hat uns Frau Maridi Tscherne beigebracht.

Schleifen für die gottscheerische Frauentracht. Foto: Urška Kop, 2015.

Die neue Tracht

Für unsere ersten Auftritte haben wir uns die Trachten aus Bela Krajina (Deutsch: Weißkrain) der Volkstanzgruppe Semiška ohcet ausgeliehen. Ich habe das erste Projekt bei der Gemeinde Dolenjske Toplice angemeldet und wir haben das Geld für die Herstellung der Frauenaccessoires für die gottscheerische Tracht erhalten. Krawatten, Gürtel, Kopftücher und Kragen haben Irena Kapš und Darja Štangelj genäht, die Beiden sind Tänzerinnen der Gottscheer Volkstanzgruppe. Das waren unvergessliche schlaflose Nächte bei mir zu Hause. Ich war übrigens an schlaflose Nächte gewohnt, weil ich damals meine erste Tochter Ela geboren habe. Bei den Ständen haben wir Beiträge gesammelt und so haben wir das erste Geld für den Stoff erhalten. Glücklicherweise haben wir in unserer Gruppe eine Designerin, Frau Irena Kapš, die selbst Mäntel für unsere Trachten zugeschnitten hat. Den Stoff haben wir in Ungarn bestellt, weil es sehr schwer ist, die traditionelle Smaragdenfarbe auf dem slowenischen Markt zu kaufen. Als wir den Stoff erhalten haben, hat Frau Irena Kapš sofort mit dem Nähen angefangen. So hat die gottscheerische Tracht ein neues Bild bekommen.

Herstellen vom Kragen für die gottscheerische Frauentracht, 2015. Foto: Urška Kop.

Neue Bühnenaufstellung

Kooperation mit Fachleuten

Im Jahre 2016 hatten wir fünf Auftritte. Der letzte war bei der Eröffnung der Ausstellung Vitrinen des Gedänken von Dr. Anja Moric in Kočevje, wo ich den Ethnokoreologen Herr Mirko Ramovš kennengelernt habe. Er hat uns seine fachliche Unterstützung zugesichert. Frau Anja Moric hat die erste Besprechung mit Dr. Tomaž Simetinger organisiert. Wir haben die erste fachliche Choreographie der gottscheerischen Tänze festgelegt. Im Jahre 2017 haben wir die Tätigkeit der Gottscheer Volkstanzgruppe auf den Gottscheer Altsiedler Verein übertragen und der Touristenverein Pod Srebotnikom wurde aufgelöst. Die Leitung des Gottscheer Altsiedler Vereins hat der jetzige Vorsitzende, Herr Marjan Štangelj übernommen. Herr Simetinger hat uns im Januar 2017 in den Räumlichkeiten des Gottscheer Altsiedler Vereins besucht und uns den ersten Teil der Bühnenaufstellung »Aufjuble dü Göttscheabar« bzw. »Jauchze, Gottscheer« gezeigt. Für leichtere Trainings hat die Choreographie vom Herrn Simetinger der verstorbene Herr August Pogačnik aufgenommen.

Auftritt der Tanzgruppe (damals noch) des Touristenvereins Pod Srebotnikom bei der Ausstellungseröffnung Vitrinen des Gedächtnisses in der Bibliothek Kočevje, 2016. Foto: Matjaž Deželak.

Die erste Vorstellung der neuen Choreographie

Mit der neuen Bühnenaufstellung haben wir uns das erste Mal in Semič vorgestellt, und zwar bei der Veranstaltungseröffnung Die 3. Gottscheer Kulturtage. Die Volkstanzgruppe hat sich im Jahre 2017 das erste Mal auch beim Gemeindetreffen der erwachsenen Volkstanzgruppen in Novo mesto vorgestellt. In demselben Jahr hat unsere Tracht auch neue Männergürtel erlangen. Im Jahr 2018 haben wir den Gesang gottscheerischer Lieder mit einer fachlichen Gesangsleiterin bereichert. Es hat sich Frau Ani Šober Jankovič, Gesangleiterin der Volkstanzgruppe Dragatuš uns angeschlossen. Frau Ani unterrichtet Singen mit vollem Herzen. Neben ihr fühlen wir uns wie kleine Kinder. Bei der Aussprache ist uns Gottscheer Herr Johanes Hans Jaklitsch behilflich. Herr Jaklitsch vertraut unserer Arbeit und unterstützt uns finanziell schon seit Annfang an. Er ist Mäzen der Gottscheer Volkstanzgruppe geworden. Dieser Patenschaft hat sich später auch Frau Sophia Stalzer Wyant aus Amerika angeschlossen. Wir bedanken uns bei beiden ganz herzlich für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen.

Auftritt der Gottscheer Volkstanzgruppe des Gottscheer Altsiedler Vereins bei der Ausstellungseröffnung Vitrinen des Gedächtnisses im Museum der Neuzeitgeschichte Sloweniens in Ljubljana, Februar 2017. Foto: Sašo Kovačič, MNZS.

Die Tätigkeit in letzten zwei Jahren

Im Jahr 2018 hat unsere gottscheerische Tracht ihr vollkommenes Bild erhalten. Wir haben die ausgeliehene Kleidung zurück gegeben und selbst Röcke, Blusen, männliche Hosen und Hemden genäht. Es haben nur noch Hüte gefehlt, aber wir haben auch sie am Anfang des Jahres 2019 erhalten. Im Frühling 2018 haben wir uns das zweite Mal nacheinander beim Gemeindetreffen der Kinder- und erwachsenen Volkstanzgruppen OI JSKD Novo mesto vorgestellt. Den Tanzfortschritt der Gottscheer Volkstanzgruppe hat auch die Fachjury bemerkt. Es haben einige Auftritte gefolgt. Mehr über die Tätigkeit der Volkstanzgruppe können Sie in der Zeitung Bakh, Nr. 26, März 2020 lesen.

Im Jahre 2019 hat die jüngere Generation die Betreuung der Volkstanzgruppe übernommen. Die neuen TrainerInnen Simon und Sanja Cerjak sind mit Tanz und Musik aufgewachsen. Die Folklore und der Wunsch nach Anerkennung des Volkstanzes waren für sie eine neue Herausforderung. Leider waren die TänzerInnen mit dem Fortschritt der Volkstanzgruppe nicht zufrieden, deswegen hat im Jahre 2020 eine erfahrene Leiterin, Frau Branka Moškon, Leiterin der Volkstanzgruppe Kres Novo mesto die Gruppe übernommen.

Auftritt der Volkstanzgruppe des Gottscheer Altsiedler Vereins in Občice beim 25-Jubiläum der Vereinstätigkeit, Oktober 2018. Foto: Anja Moric.

Pandemie und Kulturleben

In der Zeit der Coronapandemie ist Kultur eine große Herausforderung für Änderungen geworden. Das Kulturleben wurde praktisch zum Stillstand gebracht. Auch die Arbeit der Gottscheer Volkstanzgruppe ist momentan im Stillstand. Viele Faktoren haben einen Einfluß auf die weitere Entwicklung. Die momentanen Maßnahmen haben einen negativen Einfluß auf das Sozialleben der Menschen und auf die Tätigkeit der Liebhaberkultur. Die Zeit kann für Überlegungen zur Arbeitsentwicklung, neuen Forschungen und Gelegenheiten genutzt werden. Es ist Tatsache, dass die Zukunft auf einer Verbindung des neuen virtuellen Lebens und der traditionellen Bräuche beruht.

In unserem vorherigen Beitrag können Sie mehr über die Gottscheer Kulturtage lesen.

Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: Slowenisch Englisch

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